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  • Christian Knoche

Einfach nur so...

Sie zieht an dem Schalter, und die Scheibe schiebt sich wieder nach oben. Das Rauschen des Fahrtwindes steigert sich und der Ton wird höher, fast zu einem Pfeifen. Dann wird es plötzlich wieder ruhig im Auto. Sie schaut ihn finster an.

„Was denn?“, fragt er.

„Du weißt genau, dass ich es hasse. Meine Haare sehen danach aus! Jetzt darf ich erstmal ins Gästebad und den Schlamassel wieder richten, wenn wir ankommen. Bis ich damit fertig bin, hast Du garantiert schon drei Whiskey getrunken und bist mit Albert im Garten, einen von diesen kubanischen Stinkkolben rauchen.“

„Du hast einfach keine Ahnung, was gut ist! Das sind echte Montecristo. Weißt Du, was die kosten?“

„Mir geht es hier nicht um Eure scheiß Zigarren! Mir geht es um meine Haare!“

„Warum erwähnst Du die dann?“

„Was?“

„Na die Zigarren! Erst kommst Du mir mit Zigarren und dann regst Du Dich auf, wenn ich Dir antworte!“

„Na die Dinger stinken eben!“

„Tun sie nicht. Und außerdem sind die wie gesagt sauteuer.“

„Du würdest auch getrocknete Pferdeäpfel rauchen, wenn die nur teuer und selten wären, oder?“

„Nur, wenn ich dafür nichts bezahlen muss.“

Sie öffnet das Handschuhfach und schaut angestrengt. Gegen die Schwärze in dem kleinen Fach kann das winzige Lämpchen nicht viel ausrichten. Sie greift hinein und wühlt zwischen dem Gerümpel herum, dann zieht sie die Hand wieder heraus. Darin hält sie eine flache Flasche aus Edelstahl. Sie schraubt den Verschluss auf, setzt die Flasche an die Lippen und wirft den Kopf in den Nacken.

„Hey! Finger weg!“, sagt er, „Das ist für morgen früh!“

Sie ignoriert ihn, dreht die Flasche zu und verstaut sie wieder.

Schweigend fahren sie eine Weile.

„Hast Du eigentlich das Geschenk eingepackt?“, fragt er.

„Natürlich habe ich das Geschenk eingepackt.“

Sie schweigt wieder, dann fragt sie:

„Findest Du eigentlich, Albert und Sibylle sollten heiraten? Ich meine, die passen doch eigentlich gar nicht zusammen.“

„Keine Ahnung, ist doch deren Sache.“

„Ja, schon. Aber Albert ist doch Dein Freund seit wie vielen Jahren? Zwanzig?“

„Zweiundzwanzig, ja. Seit dem Studium.“

„Naja, und ihr geht mindestens ein Mal in der Woche irgendwo zusammen weg. Habt ihr da nie drüber gesprochen?“

„Worüber?“

„Na über Sibylle.“

„Klar!“

„Und was erzählt er da so?“

„Das sie nervt, weil ihre Haare durcheinander kommen, wenn er das Autofenster aufmacht.“

„Sehr witzig!“

„Weißt Du, jetzt wo Du es sagst – ich glaube wirklich, die sollten nicht heiraten. Wenn man wegen solcher Kleinigkeiten schon in Streit kommt – am Ende hat sie noch was dagegen, dass er Zigarren raucht.“

„Du bist und bleibst ein Arsch, Klaus!“

Er setzt den Blinker und sie biegen in die Wohnsiedlung am Rande der Stadt.

„Naja, wir reden halt nicht über sowas“, sagt er.

„Worüber redet ihr dann?“

„Keine Ahnung. Wir sind Männer, wir müssen nicht dauernd irgendwas reden. Meistens redet Albert über sein Motorrad und ich über meine Topfpflanze im Büro.“

„Boah. Du bist einfach…!“

Sie boxt ihn in die Rippen.

„Hey! Lies das Schild! Bitte schlagen Sie den Fahrer nicht!“, ruft er.

Sie schauen sich kurz an und müssen lachen. Er lenkt das Auto in die Seitenstraße und hält in einigem Abstand zu Alberts und Sibylles gigantischer Villa. Fackeln leuchten vor der Einfahrt.

„Weißt Du, was ich noch mehr hasse als Hochzeiten?“, fragt er, „Polterabende.“

„Oh Gott ja. Und noch dazu so spießige wie diesen.“

Er greift nach ihrem Mantel auf dem Rücksitz, steigt aus, geht um das Auto und öffnet ihr die Tür. Sie steigt ebenfalls aus und er hält ihr das Kleidungsstück hin. Sie schlüpft hinein, dann dreht sie sich um. Er streicht ihr vorsichtig über die Haare.

„Soll ich vor dem Gästebad warten, bis Du Dir die Haare gerichtet hast?“, fragt er leise.

Sie nickt und lächelt ihn an. Er nimmt ihre Hand, und gemeinsam gehen sie durch das Gartentor den von Fackeln gesäumten Weg zur Villa hinauf.

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